Rund 100 Standorte auf dem Prüfstand. Stadt erwägt europaweite Ausschreibung. Private Verwerter...
(15.02.2013) Aachen. Die Flut der Altkleider-Container könnte künftig viel mehr Geld in die klamme Stadtkasse spülen. Für die 98 offiziellen Standorte liegt Aachen nämlich ein lukratives Angebot vor. Ein gewerblicher Altkleiderverwerter lockt mit einer hohen fünfstelligen Summe, wenn er die Kleidersammlung exklusiv übernehmen darf. Dies hat die Stadt auf Anfrage der Aachener Zeitung bestätigt. Bislang unterhält das Deutsche Rote Kreuz (DRK) 60 der 98 Containerstandorte auf Aachener Stadtgebiet. An diesen Orten stehen laut DRK 89 Container (plus 80 im ehemaligen Kreisgebiet). Für die Sondernutzungserlaubnis kassiert die Kämmerin jährlich rund 8000 Euro vom DRK-Kreisverband der Städteregion.
Weil der Handel mit alter Kleidung auf dem Weltmarkt enorme Gewinnmargen verspricht, bieten Privatfirmen mittlerweile bis zu zehn Mal mehr. Hinzu kommt, dass die Stadtverwaltung bei der Genehmigung der Sondernutzungsstandorte nicht nur gemeinnützige Organisationen – wie etwa DRK, Malteser und KAB – berücksichtigen darf. Dies habe eine juristische Prüfung nahegelegt, die jetzt im Verwaltungsvorstand vorgestellt wurde, wie Stadtsprecher Hans Poth erklärt. „Man kann die gewerblichen Interessenten nicht einfach ausblenden, das ist rechtlich offenbar nicht mehr zulässig“, sagt er. Oberbürgermeister Marcel Philipp und die Verwaltungsspitze erwägen nun, die Konzessionen für Altkleidercontainer künftig europaweit auszuschreiben. Das hieße: Wer am meisten bietet, darf die Containerstandorte bestücken – und den Inhalt versilbern. Hinter den Kulissen ringen die kommunale AWA Entsorgung GmbH und Aachens zuständiger Dezernent Lothar Barth um eine alternative Lösung, um hiesige gemeinnützige Organisationen – also vor allem das DRK – zu schützen.
Ansonsten gilt: Falls das DRK nicht mehr Geld bietet als gewerbliche Interessenten, dürfte es für die Hilfsorganisation eng werden. Schlimmstenfalls müsste sie ihre Container in Aachen aufgeben. Bundesweit zählt das DRK rund 25?000 Altkleidercontainer. Nach DRK-Angaben sammelt man darin 80?000 bis 100?000 Tonnen Altkleider pro Jahr. 4000 bis 5000 Tonnen gibt das DRK direkt an bedürftige Menschen weiter. So versorge man jährlich 1,2 Millionen benachteiligte Mitbürger mit Secondhandware, teilt das DRK mit. Der Rest – also etwa 95 Prozent der Altkleider – wird an Verwertungsunternehmen verkauft. Diese schreiben im Durchschnitt nur etwa zehn Prozent der Textilien als Abfall ab. 35 Prozent sind nicht mehr als Kleidung zu tragen und werden zu Putzlappen oder Dämmstoffen verarbeitet. Rund 55 Prozent exportiert man nach Afrika, Osteuropa und Asien.
2011 erzielte das DRK durch den Verkauf der Kleiderspenden an Händler und Verwerter einen Gewinn von rund zwölf Millionen Euro, in der Städteregion Aachen bei einem Altkleider-Kilogramm-Preis von 24 Cent knapp 200?000 Euro. Das Geld investiert man in soziale Projekte – beispielsweise im Katastrophenschutz, beim Jugendrotkreuz und in der Altenhilfe. Natürlich würden die weltweit agierenden Verwertungsunternehmen lieber direkt aus der Container-Quelle schöpfen – und somit weitere Millionengewinne einstreichen.
In der Aachener Region kommt der DRK-Kreisverband jährlich auf rund 800 Tonnen Altkleider. Davon profitieren in den Kleiderkammern hunderte Bedürftige. Und es hängen dutzende Arbeitsplätze beim DRK daran, wie Geschäftsführer Peter Timmermanns betont. „Jobs, Kleiderkammern, soziale Projekte – hier steht sehr viel auf dem Spiel“, sagt der DRK-Chef. Dass jemand 100?000 Euro für alle Altkleidercontainer-Standorte bietet, hält er für realitätsfern: „Das rechnet sich nicht. Jedenfalls nicht, wenn man Mitarbeitern angemessene Löhne zahlt.“ Timmermanns ist überzeugt, dass die Kommune die Zusammenarbeit mit dem DRK fortsetzt: „Ich habe entsprechende Signale erhalten.“
Der Entscheidungsprozess läuft. Ein wichtiges Gegenargument aus Verwaltungskreisen ist, dass bei künftigen Mehreinnahmen der Wildwuchs bei Altkleidercontainern wirksamer bekämpft werden könnte. „Mit dem Geld würden wir die ganzen illegalen Container, die hier aus dem Boden schießen, endlich demontieren können“, erklärt ein leitender Beamter. Aber soweit ist man noch nicht.
Quelle: Aachener Zeitung, Stadtausgabe vom 15.02.2013