05. Oktober 2015 - Freiwillige unterstützen das Rote Kreuz
In der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule in Würselen werden 85 Erstankömmlinge betreut....
(05.10.2015) Würselen. Ali Hassan Haidous erlebt seine Geschichte jetzt ein zweites Mal – angesichts der aktuellen Generation von Flüchtlingen. Vor 25 Jahren ist er aus dem Libanon vor dem Krieg geflohen. Hat Haus und Hof aufgeben müssen. Familienangehörige haben die Gewalt in der alten Heimat nicht überlebt. Sein Weg führte ihn über die Niederlande nach Deutschland, wie er erzählt. Hier lebt er schon seit 24 Jahren. Freiwillig ist er nun als Dolmetscher in der ehemaligen Albert-Schweitzer-Schule in Würselen aktiv. Dort sind vor ein paar Tagen kurz hintereinander 50 und weitere 35 Asylbewerber angekommen, die im Rahmen des Erstaufnahmeverfahrens der Kommune zugewiesen worden sind. Haidous‘ Frau und zwei Töchter helfen ebenfalls dort. Arabisch ist gefragt. Denn deutsche Sprachkompetenz will erst noch vermittelt werden.
Arabisch ist gefragt
In den Gesprächen mit der neuen „Generation“ von Flüchtlingen – überwiegend aus Syrien – wiederholen sich die Nöte, die Haidous nur zu gut kennt. Große Sorge der Asylbewerber gilt ihren Familienangehörigen. Viel wird telefoniert, mit Unterstützung der Helfer recherchiert. Denn auf der Flucht sind Familien getrennt worden, Angehörige in der Heimat zurückgeblieben.
Thomas Mund vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) Würselen berichtet – bei einem schnellen Essen zwischendurch – von einer gelungenen Familienzusammenführung. So kamen in Würselen Großvater und Enkelkind an – ein Baby noch, das von der stillenden Mutter getrennt worden war. Dank enger Kooperation mit der Bundespolizei und den Johannitern gelang es, den Rest der Familie nebst Mutter anderweitig ausfindig zu machen, wie Mund erzählt. Nun ist die Familie wieder glücklich vereint und gehört das Kleinkind zu den Lieblingen der ehrenamtlichen Helfer.
„Die Asylsuchenden hatten fast nichts dabei, als sie hier ankamen“, sagt Jürgen Hohlfeld, Vorsitzender des Fördervereins Asyl Würselen. Gemeinsam sitzt er mit der evangelischen Pfarrerin Dorothea-Elisabeth Alders (Broichweiden) an einem Tisch am Rande des ehemaligen Schulhofs und schaut dem bunten Treiben vor ihm zu. Alders hat über den Freundeskreis Jülicher Straße zum Arbeitskreis Asyl und dann zum Förderverein gefunden. Hubert Goergens, einer von vielen ehrenamtlichen Helfern, schraubt gerade ein Spielgerät zusammen. Die Rutsche wird gerne angenommen, sind doch viele Kinder unter den Asylbewerbern. Goergens Ehefrau Kaethe gibt Deutschunterricht. Das soll unbedingt erwähnt werden – auch dass andere Würselener hierbei aktiv sind, sagt Goergens, und wendet sich wieder seiner Arbeit zu.
Derzeit kümmern sich fünf Ehrenamtler um die Vermittlung von Sprachkompetenz, sagt eine junge Frau, die aber ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Es geht um die Vermittlung erster Grundlagen“, betont sie. „Und mit dem Unterricht bekommen sie auch Struktur in den Tag, sind beschäftigt und werden motiviert.“ Dreimal die Woche werden Asylbewerber unterrichtet – und bitten schon um mehr Stunden und Hausaufgaben. Natürlich wird bei jeder Gelegenheit das Gelernte auch ausprobiert, auch bei Ausflügen, die in die Umgebung führen, sagt die engagierte Frau.
Hohlfeld spricht von einer großen Welle der Hilfsbereitschaft, die sich keineswegs in Sachspenden erschöpft. Aus dem unmittelbaren Wohnumfeld schauen Bürger immer wieder vorbei und packen mit an. Im Bereich des ehemaligen Schwimmbeckens der Schule wurde eine Kleiderkammer eingerichtet. Der Bedarf ist bis auf einige bestimmte Dinge zurzeit gedeckt, sagt Hohlfeld, und schaut auf seine Notizen. Es fehlen noch Winterschuhe für Frauen ohne Absätze, Sportschuhe für Männer in den Größen 44 bis 47, Jogginghosen für Frauen und Männer, zwei „Gehfrei“ für Kinder und funktionstüchtige Fahrräder nebst Schlössern. Wer solche „Ausrüstung“ erübrigen kann, gebe die Sachen bitte direkt an der Albert-Schweitzer-Schule ab, sagt Hohlfeld. Auch die Stadt Würselen weist auf Ihrer Homepage auf konkreten Bedarf hin (siehe Info).
Einsatzleiter Sascha Bergrath vom Deutschen Roten Kreuz Würselen hat die letzten Tage – wie seine Kollegen auch – nur wenig geschlafen. Aber Hilfe ist schon da. Die hauptamtlichen Kollegen vom Kreis-DRK übernehmen an diesem Tag die Betreuung.
Syrische Ärzte engagieren sich
Bergraths Team hat bis dahin die Erstaufnahme vor Ort organisiert. Es gibt eine Küche, Anlaufstelle ist ein kleines Büro. Einige Asylbewerber werden gerade im Rahmen der medizinischen Erstbetreuung zum Standort Bardenberg des Medizinischen Zentrums gefahren, um geröntgt zu werden. Andere füllen mit Hilfe der Ehrenamtler Zettel aus, auf denen sie ihren Bedarf und die Konfektionsgrößen der notwendigen Bekleidung ankreuzen. „Die eine oder andere Kleinigkeit wie Hygieneartikel besorgen wir schnell selbst. Da geht es ja nur um ein paar Euro“, erzählt Bergrath. Immer wieder wird improvisiert, tauchen neue Fragen und Probleme auf. Aber die DRK’ler gehen in ihrer Aufgabe auf. Jede gemeisterte Herausforderung motiviert zu mehr. Zwischenzeitlich haben sich drei Ärzte, die aus Syrien stammen und in der Region bereits Fußgefasst haben, gemeldet, um bei der medizinischen Betreuung der Neuankömmlinge zu helfen. Eine Zahnärztin aus Syrien kommt in die Albert-Schweitzer-Schule, um den weiteren Behandlungsbedarf festzustellen.
Und für die Sicherheit der Asylbewerber ist auch gesorgt. Nach Passieren des Wachmanns, der aufmerksam Posten steht, fällt das Eingangstor ins Schloss.
Paten und Begleiter werden gesucht
Der Förderkreis Asyl Würselen, der Mitte Juni gegründet wurde, ging aus dem Arbeitskreis Aysl hervor, um die Arbeit der ehrenamtlich Helfenden mit den Flüchtlingen in Würselen finanziell und organisatorisch zu unterstützen und auf eine breitere Basis zu stellen.
Vorsitzender Jürgen Hohlfeld und seine Mitstreiter begrüßen zwar gerne jedes Neumitglied, aber es ist nicht notwendig, Mitglied zu werden, wenn Interessierte den Asylbewerbern helfen wollen, betont er. Neben dem Erwerb von grundlegenden Deutschkenntnissen liegt dem Verein daran, die Neuankömmlinge in die für sie noch fremde Umgebung einzuführen und zu begleiten. Dafür werden Paten gesucht, die den Asylbewerbern als Lotsen helfen, durch die Welt der deutschen Bürokratie zu finden und den hier üblichen Anforderungen zur Bewältigung des Alltags gerecht zu werden.
Quelle: Aachener Zeitung / Aachener Nachrichten, Ausgabe Nordkreis vom 05.10.2015